Holzpuppentrainer von Bruce Lee gab sich die Ehre

Wooden Dummy mit Großmeister Wang Kiu

Die lebende Legende des Wing Chun, der 85-jährige Großmeister Wang Kiu, besuchte am 28.02.2009 seinen Schüler, Sifu Klaus Jeske, in Deutschland. Dies, um mit ihm gemeinsam in dessen Schule in der alten deutschen Kaiserstadt zu Aachen ein Seminar abzuhalten. Das Thema hierzu lautete "Wooden Dummy", somit sich naturgemäß dann vieles um den "Hölzernen Mann" drehte.

Anfänge bei Yip Man

Wang Kiu begann 1952 unter Yip Man Wing Chun zu lernen, nachdem er bereits Erfahrungen im nördlichen Mantis Stil gesammelt hatte. Der Bruder seines leider viel zu früh verstorbenen Freundes Wong Shun Leung brachte ihn einst zu Yip Man. Zusammen mit Wong Shun Leung trug Wang Kiu in den 50er Jahren die weltbekannten "Roof-Fights" (Kämpfe auf Hausdächern) aus, die ebenfalls zur Bekanntheit des Wing Chun geführt haben.

Training mit Bruce Lee

Wang Kiu war bei diesen Kämpfen nicht nur als Fighter, sondern, wenn er einmal nicht mitkämpfte, auch als Schiedsrichter tätig. Altmeister Wang Kiu ist eine anerkannte Kompetenz auf dem Gebiet des Wing Chun. Er hat diese Kampfkunst als einer von ganz wenigen unverändert bewahrt und nur wenigen Schülern umfassend weitervermittelt. Einst brachte er in seinem Privathaus dem noch sehr jungen Bruce Lee die ersten 30 Bewegungen am Wooden Dummy bei. Damals gab es in der Schule von Yip Man noch keinen "hölzernen Mann" und so nahm er Bruce Lee kurzerhand mit in sein Privathaus, wo ein solches Trainingsgerät stand, denn Wang Kiu war einer der ersten Schüler, die in den fünfziger Jahren einen Wooden Dummy besaßen. Yip Man lehrte Wang Kiu einst die Holzpuppenform noch ohne Dummy am Mann. Diese kaum bekannte Art und Weise, die 108 Bewegungen des Wooden Dummy in einer Partnerversion zu lehren, wird bis heute auch in der Aachener Schule durch Sifu Klaus Jeske gelerht, um den Schülern ein besseres Verständnis für die Anwendungen zu geben.

Enger Vetrauter von Yip Man

Begleitet wurde Wang Kiu bei dem Seminar von seiner wesentlich jüngeren Ehefrau Ping Liu Wang, welche ihrerseits aktiv Tai Chi betreibt. Wang Kiu ist heute mit seinen 85 Jahren der älteste noch lebende Schüler von Wing Chun Großmeister (GM) Yip Man aus dessen Hong Kong Ära. Zudem ist er einer der wenigen Schüler, die von Yip Man im Privatunterricht das gesamte Wing Chun System, einschließlich der Waffenformen, erlernte. Auch in persönlichen Angelegenheiten von Yip Man war Wang Kiu ein enger Vertrauter.

Hautnahes Training mit dem Altmeister

Das Seminar begann mit einer Formenvorführung der Kindergruppe, der eine Vorführung folgte, in der erwachsene Aachener Schüler die drei Handformen zeigten. Danach begann das eigentliche Seminar, welches den ganzen Tag dauerte und in dem alle Schüler je nach Leistungsstufe verschiedene Bewegungsabläufe aus den 108 Bewegungen des Wooden Dummy trainierten. Zwischendurch hatte jeder Schüler die Möglichkeit, GM Wang Kiu Fragen aller Art zu stellen, die der Meister gerne beantwortete. Im direkten Anschluss führte Sifu Klaus Jeske die Version direkt am "Hölzernen Mann" vor. Die Seminarteilnehmer hatten so die Möglichkeit, die Praktikabilität der Bewegungen im "Living Dummy" sofort auch in den vermittelten Holzpuppenformen wieder zu finden.

Trainer bei den US-Streitkräften

Unter den Teilnehmern des Seminars war noch ein weiterer Schüler des Meisters. Zum Beispiel "US-Boy" Renardo Reed. Der Amerikaner ist Leiter der American Wing Chun Association. Renardo Reed ist ehemaliger Soldat der US-Streitkräfte und unterrichtet das Wing Chun bei der US-Army in der Nähe von Frankfurt, konkret in Wiesbaden. Alle Teilnehmer des Seminars waren hochzufrieden mit der Veranstaltung. GM Wang Kiu wies zum Ende noch einmal darauf hin, dass Wing Chun logisch, einfach, unspektakulär und für jeden zu erlernen ist, insofern man die Prinzipien des Systems befolgt und Bereitschaft zeigt, fleißig zu trainieren. Abgeschlossen und abgerundet wurde der Tag dadurch, dass im Anschluss an das Seminar die von Klaus Jeske ausgebildeten Lehrer des Vereins Großmeister Wang Kiu ihre Handformen vorführten. GM Wang Kiu konnte sich selbst davon überzeugen, dass die Zukunft und Verbreitung des traditionellen Wing Chun Kung Fu auch durch weitere jüngere Lehrer sichergestellt ist.

(Dieser Artikel erschien im Mai 2009 in "BUDO karate", Heft Juni/Juli 2009.)

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